Samstag, 23. Februar 2013

Hallo meine Lieben!

Lange habe ich hier schon wieder nichts von mir hören lassen…
Heute Morgen habe ich meinen Zwischenbericht für das Zwischenseminar in 3 Wochen in Deutschland (noch vor dem Frühstück!) fertig geschrieben. Nach einem spontanen Putzanfall strahlt mein ganzes Zimmer, meine Mitbewohner sind ausgeflogen, ich habe es mir an meinem Fenster gemütlich gemacht und freu mich auf einen ruhigen Nachmittag mal ganz für mich allein :) und den möchte ich erst mal nutzen euch mal wieder ein bisschen was von meiner Arbeit zu erzählen.

Seit ich in Pawlowsk arbeite, denke ich auch in meiner Freizeit viel mehr über meine Arbeit nach. Vielleicht weil ich mich in Pawlowsk irgendwie verantwortlicher für meine Arbeit und die Kinder fühle. Das klingt vielleicht anstrengend, aber es fühlt sich einfach richtig gut an!
Zu Anfang hat es mich vielleicht doch noch etwas verunsichert, zu wissen, dass jetzt nicht mehr immer unbedingt einer „hinter mir her läuft“ und alle kleinere Fehlerchen ausbügelt, die mir in meiner Arbeit vielleicht unterlaufen könnten, aber dafür werde ich auch mit den Gefühl belohnt, jeden Tag ein bisschen zu wachsen.

Ich werde oft gefragt, ob mir die Arbeit in Pawlowsk besser gefällt, aber das kann ich so nicht sagen. Man kann die Stellen einfach nicht miteinander vergleichen. Es ist nicht besser, sondern einfach nur ganz anders und ich genieße im Moment den frischen Wind in meinem Leben, den ganzen Trubel und die Lebhaftigkeit auf den Gängen, in den Zimmern und beim Mittagessen und Pawlowsk kommt mir wunderbar groß und weit vor. Außerdem freue ich mich, dass ich jetzt endlich jeden Tag viel mehr Russisch sprechen MUSS und dabei meine Fortschritte sehe.

Der größte Unterschied zu meiner alten Arbeit sind aber die Kinder selbst.
Die Kinder in Pawlowsk haben so  ganz andere Dinge erlebt, sind ein so ganz anderes Leben gewohnt, und das merke ich natürlich auch im Umgang mit ihnen, ohne dass ich es so richtig in Worte fassen könnte. Irgendwie sind die Kinder im Zentrum im Allgemeinen etwas aufgedrehter, frecher. Die Kinder in Pawlowsk anhänglicher und haben mich schon nach kurzer Zeit viel öfter gedrückt, obwohl sie mich da doch noch so gar nicht richtig kannten.

Außerdem sind für die Kinder in Pawlowsk schon viel kleinere Dinge etwas Besonderes. Zum Beispiel ist es für Sascha schon eine interessante Abwechslung, wenn ich ihn einmal anders hinlege oder -setze, oder ihn aus seinem Bett nehme, mit ihm zusammen eine Weile sitze, einfach ein bisschen rede, seine Arme leicht bewege und er seinen Körper spürt.
Es macht richtig glücklich zu sehen, wie die Kinder sich über solche Kleinigkeiten freuen können, auch wenn es vielleicht auch etwas traurig sein sollte, aber in dem Moment, in dem man da ist und sich mit dem Kind beschäftigt, denkt man darüber gar nicht nach.
Und es passieren jeden Tag auch so lustige Dinge.

Letzte Woche war ich gerade dabei Sonja mit ein bisschen geriebenen Apfel (der tägl. Vormittagssnack) zu füttern, als plötzlich eine unverkennbare Weihrauchduftwolke in Zimmer fegte, die einen Mann in schwarzer Robe einhüllte, wie ich erkannte, als ich aufsah. Er ging von Kind zu Kind, fragt seine Begleiterin nach dem jeweiligen Namen, nannte diesen und schob dem Kind dann ein Löffelchen Wein in den Mund. Allen Kindern außer Sonja, die sich nämlich nur die Hände auf die Augen legte und vorgab nicht da zu sein. Genauso schnell wie er gekommen war, verschwand der Mann mitsamt Gefolge und ich fütterte, noch etwas verdattert, weiter.

Oder wusstet ihr, dass es musikalische Töpfe gibt? Ich jedenfalls nicht, bis Seroschas Topf anfing „The Lambada„ zu spielen und mich auf der langen Suche nach der mysteriösen Quelle der Musik schon dazu brachte, mir zuerst jegliches Spielzeug bis hin zu einem pinken Quitschehäschen an die Ohren zu halten und dann entweder an Spuk oder daran zu glauben, dass ich einen ganz besonderen Tinitus hätte. . .

Die schönste Zeit des Tages ist aber immer, wenn meine eigentliche Arbeit für den Tag getan ist, alle Kinder nach dem Mittagessen sauber und mit geputzten Zähnen zur Mittagsruhe in ihren Betten liegen und ich nochmal eine Runde durch den Raum mache, um mich von allen Kindern zu verabschieden. Hier ein Kitzeln, ein Nasestupsen oder nochmal für ein paar Minuten auf den Arm nehmen und zum Abschluss von Seroscha ganz fest knuddeln lassen.

Gibt es sonst noch was? Ich meine, wenn dieser Eintrag schon wieder ins Unendliche ausartet, kommt es auf ein paar Sätze mehr oder weniger auch nicht mehr an, oder?
Dann kann ich ja auch noch ganz stolz berichten, dass ich jetzt auf einer nicht elektrischen (mit Trittbrett und so) Nähmaschine nähen – nun ja, „kann“ ist vllt übertrieben – lerne, weil wir Schuhsäcke für die Betten der Kinder nähen und dass meine Geige endlich ihre volle Daseinsberechtigung in Russland hat, weil wir jeden zweiten Freitag jetzt für die Kinder ein «Музыкалная Комната» (Musikzimmer) machen und eine Stunde zusammen spielen und singen.

So, jetzt aber Schluss für heute!
Liebste Grüße,
Fini




Samstag, 2. Februar 2013

Ausblicke





Unten gibt es übrigens noch einen neuen Eintag :)

Meine Gruppe

Ich hatte es euch ja versprochen und habe es nicht vergessen, also hier ein (mal sehn wie) kleiner Eintrag zu „meinen“ Kindern.
Mein fast schon romantischer Arbeitsweg
Meine Gruppe ist insgesamt eine der fittesten Gruppen im 4. Corpus, wo die Kinder mit den schwersten Behinderungen in Pawlowsk untergebracht sind.
Wenn ich sage, in welcher Gruppe ich arbeite, denken wohl alle zuerst an meine lustige 4er-Gang.
So habe ich sie zumindest für mich getauft, weil sie die meisten Sachen zusammen machen. Zum Essen sitzen sie alle an einem kleinen Tisch mit 4 noch kleineren Stühlen, beim Spielen, wenn sich gerade keiner mit ihnen beschäftigt, in der Manege und aufs Töpfchen geht’s natürlich auch nur zu viert.
Serjoscha heißt mein „Großer“. Er wird zwar bald 18, geht mir aber nur bis zum Bauchnabel. Trotzdem ist er einer von meinen 2 schwersten und größten Kindern. Und groß ist auch seine Zunge, die ihm deshalb meistens frech aus dem Mund hängt.
Sonst würde auch der Spitznamen „kleiner Opi“ ganz gut zu ihm passen, denn (vor allem wenn er lacht) zieht er gerne die Lippen über die Zähne, sodass es aussieht, als ob er gar keine hätte.
Dazu kommt noch, dass er gerne vor sich herbrabbelt oder eher brummt. Das erste Bild, dass mir zur Serjoscha in den Kopf kommt, ist wie er in der Manege auf dem Rücken liegt, einen Arm hinter den Kopf und die Beine verschränkt, mit der anderen Hand einen Gegenstand (nach Möglichkeit etwas mit Schnüren) vor dem Gesicht hin- und herschwenkt und dazu brummt und mit dem Mund Grimassen schneidet.
Laufen kann er eigentlich recht gut (vor allem, wenn man bedenkt, dass es in Pawlowsk Gruppen gibt, in denen kein einziges Kind auch nur alleine sitzen geschweige denn stehen kann). Serjoscha läuft sogar manchmal an einer Hand, wenn er denn Lust hat…aber meistens kriegt man ihn noch ganz gut dazu motiviert.
Und den Spitznamen „Schmusebacke“ hat er sich auch schon verdient, denn er liebt es einen ganz fest zu umarmen und dabei ins Ohr zu lachen und würde einen dann am liebsten auch stundenlang nicht mehr loslassen.
Ach ja, und er ist ziemlich kitzelig, wie ich gestern festgestellt habe :D

Xuscha ist meine kleinste (sie ist 15 aber ich kann sie locker auf einem Arm tragen, weil sie so leicht ist), mit sehr dünnen Armen und Beinchen, einer süßen Stupsnase, dunklen Haaren und großen braunen Kulleraugen mit wunderschönen langen dunklen Wimpern. Wenn sie ihre Arme nach einem ausstreckt, um hochgenommen zu werden erinnert sie mich immer ein bisschen an ein kleines Äffchen.
Xuscha zu beobachten finde ich echt faszienierend, dann alles was sie macht, macht sie gaaaaaaanz laaaaaaaaaaaaaangsam. Am typischsten ist es für sie, finde ich, wenn sie ihre rechte Hand langsam zu ihrem Kopf führt und ihn dann dort einfach liegen lässt.
Auch Xuscha läuft ein bisschen (am liebsten mit Riesenschritten), wenn man sie am Rumpf festhält. „Reden“ tut sie nicht. Sie gibt nur gelegentlich zwei Geräusche von sich, die ich aber nur so richtig unterscheiden kann, wenn ich dabei ihr Gesicht sehe und weiß, ob sie gerade stirn und Nase kraus zieht oder lacht.
Dafür ist ihr Mund eigentlich immer anderweitig beschäfftig. Wenn sie etwas sieht, dass sie in den Mund stecken kann, ist sie nicht mehr zu bremsen. Meistens sind es nur die Ärmel von ihren (deshalb eigentlich immer nassen) Pullovern. Manchmal zieht sie aber auch gerne an den Strumpfhosen der anderen Kinder und kaut dann an den Füßen herum. Ich bin immer ganz erstaunt, wie viel in so einen kleinen Mund und noch dazu in so kurzer Zeit passen kann…
Und wenn sie mal nichts im Mund hat, dass schaut sie gerne mit staunenden Augen und offenem Mund zu, was um sie herum passiert.

In Russland kommt die Bahn eigentlich immer pünktlich!
Die kleine Prinzessin in meiner Gruppe ist Sonja, blonde Haare, wunderschöne blaue Augen, einen großen Blähbauch und Spitzfüße, wegen denen sie immer wie eine kleine Ballerina läuft.
Sie ist ein „richtiges Mädchen“, das schöne Kleider liebt, am liebsten rosa und sie freut sich riesig, wenn ich ihr nach dem Zähneputzen die Puppe mit braunen Locken und Kleidchen vom Regal gebe.
Meistens ist Sonja sehr fröhlich und es fällt mir schon relativ leicht, mich mit ihr zu beschäftigen oder einfach nebenbei beim Wickeln und Waschen ein bisschen mit ihr zu spielen. Sie kann aber auch sehr anstrengend sein, wenn sie ewig weint und man einfach nicht weiß warum.
Sie versteht wohl alles, was man ihr sagt (z.B. hasst sie Zähne putzen, aber wenn man ihr dann erklärt, warum es so wichtig ist, öffnet sie auch meisten den Mund und hilft oft sogar mit). Sprechen kann sie aber nicht. Dafür hat sie eine unglaublich starke Mimik und Gestik. Wenn sie ein bestimmtes Spielzeug haben möchte, zeigt sie in die Richtung. Meistens muss ich dann ein bisschen raten. Wenn ich dann das richtige Spielzeug in die Hand nehme, geht ein Strahlen über das ganze Gesicht und meistens klatscht sie dazu noch in die Hände. Manchmal wenn sie sich so freut, wird sie plötzlich ganz „ernst“ (leider kann ich den Ausdruck von ihrem Mund nicht wirklich treffend beschreiben) und schaut mir dann nur ganz aufmerksam, interessiert, abschätzend ? an.
Oft hält sie sich auch mit beiden Händen die Augen zu, wobei ich noch nicht so ganz herausgefunden habe, was das bei ihr bedeutet. Ich vermute, dass sie das vor allem macht, wenn sie etwas nicht machen will, aber manchmal passt diese Theorie nicht so ganz…
Wenn ich ihr am Nachmittag Tschüss sagen komme und mich über das Gitter von ihrem Bett beuge, streckt sie meistens eine Hand aus und spielt mit den Fingern in einer runterhängenden Haarsträhne bevor sie dann mit ihrer Hand bei mir abklatscht.
 Ach ja, und Sonja hat einen eigenen kleinen Rollstuhl. Das muss ich nur noch erwähnen, weil es ein so schönes Bild ist, wenn sie damit auf dem Korridor unterwegs ist.


Das Quartett komplett macht Danja. Er ist 12, sieht aber aus wie 1 ½. Er ist ziemlich faul und mosert die ganze Zeit vor sich hin, wenn er etwas machen soll. Wenn er mal ein paar Schritte gehen soll (was er an der Hand sehr gut kann!), lässt er sich meistens nach zwei Schritten auf den Po plumpsen, zieht dann die Beine an oder bleibt ganz schlaff, sodass er wie ein zwar sehr kleiner, dann aber durchaus schwerer nasser Sack ist, sodass man ihn auch gar nicht mehr wieder auf seine eigenen Bein gestellt bekommt und wartet darauf, dass man ihn trägt. Immer wieder ein kleines Ausdauerspielchen in Sachen Geduld zwischen uns :D
Deswegen hat Danja auch so eine Art „Laufstuhl“, mit dem er immer ein paar Meter durch die Gegend rollen und sich dann zwischendurch einfach reinhängen und Pause machen kann.
Wenn er lacht, ist er aber unglaublich süß. Dann hat er kleine Grübchen um den Mund und um die Augen richtige Lachfalten.
Viele kleine krause Falten hat er auch auf der Stirn, wenn er ganz vertieft in eine Sache ist, vorzugsweise damit, sich das Essen im ganzen Gesicht zu verteilen…
In der „Tiritschas“ (Ruhestunde nah dem Mittagessen) liegt er meistens auf dem Rücken in seinem Bett und spielt mit dünnen Fäden aus seiner Decke.

Zum Abschied lässt er sich jetzt erst den Bauch kitzeln und nimmt dann meine Hand und legt sie kurz auf seinen Kopf, bevor er sich dann wieder seinen Fingern und den Fäden widmet.

Ok, damit, dass jetzt nicht wieder ins Unendlich ausartet, und weil ich vor allem jetzt erst mal ein bisschen Bewegung brauche, mache ich für heute Schluss und stelle euch die anderen vier Kinder ein anderes Mal noch vor.
Bis bald!