Ich hatte es euch ja versprochen und habe es nicht
vergessen, also hier ein (mal sehn wie) kleiner Eintrag zu „meinen“ Kindern.
Mein fast schon romantischer Arbeitsweg |
Meine Gruppe ist insgesamt eine der fittesten Gruppen im 4.
Corpus, wo die Kinder mit den schwersten Behinderungen in Pawlowsk
untergebracht sind.
Wenn ich sage, in welcher Gruppe ich arbeite, denken wohl
alle zuerst an meine lustige 4er-Gang.
So habe ich sie zumindest für mich getauft, weil sie die
meisten Sachen zusammen machen. Zum Essen sitzen sie alle an einem kleinen
Tisch mit 4 noch kleineren Stühlen, beim Spielen, wenn sich gerade keiner mit
ihnen beschäftigt, in der Manege und aufs Töpfchen geht’s natürlich auch nur
zu viert.
Serjoscha
heißt mein „Großer“. Er wird zwar bald 18, geht mir aber nur bis zum
Bauchnabel. Trotzdem ist er einer von meinen 2 schwersten und größten Kindern.
Und groß ist auch seine Zunge, die ihm deshalb meistens frech aus dem Mund
hängt.
Sonst würde
auch der Spitznamen „kleiner Opi“ ganz gut zu ihm passen, denn (vor allem wenn
er lacht) zieht er gerne die Lippen über die Zähne, sodass es aussieht, als ob
er gar keine hätte.
Dazu kommt noch,
dass er gerne vor sich herbrabbelt oder eher brummt. Das erste Bild, dass mir
zur Serjoscha in den Kopf kommt, ist wie er in der Manege auf dem Rücken liegt,
einen Arm hinter den Kopf und die Beine verschränkt, mit der anderen Hand einen
Gegenstand (nach Möglichkeit etwas mit Schnüren) vor dem Gesicht hin- und
herschwenkt und dazu brummt und mit dem Mund Grimassen schneidet.
Laufen kann
er eigentlich recht gut (vor allem, wenn man bedenkt, dass es in Pawlowsk Gruppen
gibt, in denen kein einziges Kind auch nur alleine sitzen geschweige denn stehen
kann). Serjoscha läuft sogar manchmal an einer Hand, wenn er denn Lust hat…aber
meistens kriegt man ihn noch ganz gut dazu motiviert.
Und den
Spitznamen „Schmusebacke“ hat er sich auch schon verdient, denn er liebt es
einen ganz fest zu umarmen und dabei ins Ohr zu lachen und würde einen dann am
liebsten auch stundenlang nicht mehr loslassen.
Ach ja, und er ist ziemlich kitzelig, wie ich gestern
festgestellt habe :D
Xuscha ist meine kleinste (sie ist 15 aber ich kann sie
locker auf einem Arm tragen, weil sie so leicht ist), mit sehr dünnen Armen und
Beinchen, einer süßen Stupsnase, dunklen Haaren und großen braunen Kulleraugen
mit wunderschönen langen dunklen Wimpern. Wenn sie ihre Arme nach einem
ausstreckt, um hochgenommen zu werden erinnert sie mich immer ein bisschen an
ein kleines Äffchen.
Xuscha zu beobachten finde ich echt faszienierend, dann
alles was sie macht, macht sie gaaaaaaanz laaaaaaaaaaaaaangsam. Am typischsten
ist es für sie, finde ich, wenn sie ihre rechte Hand langsam zu ihrem Kopf
führt und ihn dann dort einfach liegen lässt.
Auch Xuscha läuft ein bisschen (am liebsten mit
Riesenschritten), wenn man sie am Rumpf festhält. „Reden“ tut sie nicht. Sie
gibt nur gelegentlich zwei Geräusche von sich, die ich aber nur so richtig
unterscheiden kann, wenn ich dabei ihr Gesicht sehe und weiß, ob sie gerade
stirn und Nase kraus zieht oder lacht.
Dafür ist ihr Mund eigentlich immer anderweitig beschäfftig.
Wenn sie etwas sieht, dass sie in den Mund stecken kann, ist sie nicht mehr zu
bremsen. Meistens sind es nur die Ärmel von ihren (deshalb eigentlich immer nassen)
Pullovern. Manchmal zieht sie aber auch gerne an den Strumpfhosen der anderen
Kinder und kaut dann an den Füßen herum. Ich bin immer ganz erstaunt, wie viel
in so einen kleinen Mund und noch dazu in so kurzer Zeit passen kann…
Und wenn sie mal nichts im Mund hat, dass schaut sie gerne
mit staunenden Augen und offenem Mund zu, was um sie herum passiert.
In Russland kommt die Bahn eigentlich immer pünktlich! |
Die kleine Prinzessin in meiner Gruppe ist Sonja, blonde Haare,
wunderschöne blaue Augen, einen großen Blähbauch und Spitzfüße, wegen denen sie
immer wie eine kleine Ballerina läuft.
Sie ist ein „richtiges Mädchen“, das schöne Kleider liebt,
am liebsten rosa und sie freut sich riesig, wenn ich ihr nach dem Zähneputzen
die Puppe mit braunen Locken und Kleidchen vom Regal gebe.
Meistens ist Sonja sehr fröhlich und es fällt mir schon
relativ leicht, mich mit ihr zu beschäftigen oder einfach nebenbei beim Wickeln
und Waschen ein bisschen mit ihr zu spielen. Sie kann aber auch sehr
anstrengend sein, wenn sie ewig weint und man einfach nicht weiß warum.
Sie versteht wohl alles, was man ihr sagt (z.B. hasst sie
Zähne putzen, aber wenn man ihr dann erklärt, warum es so wichtig ist, öffnet
sie auch meisten den Mund und hilft oft sogar mit). Sprechen kann sie aber
nicht. Dafür hat sie eine unglaublich starke Mimik und Gestik. Wenn sie ein
bestimmtes Spielzeug haben möchte, zeigt sie in die Richtung. Meistens muss ich
dann ein bisschen raten. Wenn ich dann das richtige Spielzeug in die Hand
nehme, geht ein Strahlen über das ganze Gesicht und meistens klatscht sie dazu
noch in die Hände. Manchmal wenn sie sich so freut, wird sie plötzlich ganz „ernst“
(leider kann ich den Ausdruck von ihrem Mund nicht wirklich treffend beschreiben)
und schaut mir dann nur ganz aufmerksam, interessiert, abschätzend ? an.
Oft hält sie sich auch mit beiden Händen die Augen zu, wobei
ich noch nicht so ganz herausgefunden habe, was das bei ihr bedeutet. Ich vermute,
dass sie das vor allem macht, wenn sie etwas nicht machen will, aber manchmal
passt diese Theorie nicht so ganz…
Wenn ich ihr am Nachmittag Tschüss sagen komme und mich über
das Gitter von ihrem Bett beuge, streckt sie meistens eine Hand aus und spielt
mit den Fingern in einer runterhängenden Haarsträhne bevor sie dann mit ihrer
Hand bei mir abklatscht.
Ach ja, und Sonja hat
einen eigenen kleinen Rollstuhl. Das muss ich nur noch erwähnen, weil es ein so
schönes Bild ist, wenn sie damit auf dem Korridor unterwegs ist.
Das Quartett komplett macht Danja. Er ist 12, sieht aber aus
wie 1 ½. Er ist ziemlich faul und mosert die ganze Zeit vor sich hin, wenn er etwas
machen soll. Wenn er mal ein paar Schritte gehen soll (was er an der Hand sehr
gut kann!), lässt er sich meistens nach zwei Schritten auf den Po plumpsen,
zieht dann die Beine an oder bleibt ganz schlaff, sodass er wie ein zwar sehr
kleiner, dann aber durchaus schwerer nasser Sack ist, sodass man ihn auch gar
nicht mehr wieder auf seine eigenen Bein gestellt bekommt und wartet darauf,
dass man ihn trägt. Immer wieder ein kleines Ausdauerspielchen in Sachen Geduld
zwischen uns :D
Deswegen hat Danja auch so eine Art „Laufstuhl“, mit dem er immer
ein paar Meter durch die Gegend rollen und sich dann zwischendurch einfach
reinhängen und Pause machen kann.
Wenn er lacht, ist er aber unglaublich süß. Dann hat er
kleine Grübchen um den Mund und um die Augen richtige Lachfalten.
Viele kleine krause Falten hat er auch auf der Stirn, wenn
er ganz vertieft in eine Sache ist, vorzugsweise damit, sich das Essen im
ganzen Gesicht zu verteilen…
In der „Tiritschas“ (Ruhestunde nah dem Mittagessen) liegt
er meistens auf dem Rücken in seinem Bett und spielt mit dünnen Fäden aus
seiner Decke.
Zum Abschied lässt er sich jetzt erst den Bauch kitzeln und
nimmt dann meine Hand und legt sie kurz auf seinen Kopf, bevor er sich dann
wieder seinen Fingern und den Fäden widmet.
Ok, damit, dass jetzt nicht wieder ins Unendlich ausartet, und
weil ich vor allem jetzt erst mal ein bisschen Bewegung brauche, mache ich für
heute Schluss und stelle euch die anderen vier Kinder ein anderes Mal noch vor.
Bis bald!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen