Seit heute um halb 3 bin ich alleine. Bettina und Sophie
haben ihre Koffer gepackt, sind auf und davon nach Deutschland und haben mich
hier ganz alleine und krank mit noch einer Scheibe Brot in der großen Wohnung,
im noch größeren St. Petersburg und dem allergrößten Russland gelassen!
Ok, oder etwas weniger theatralisch ausgedrückt: die beiden
haben jetzt eine Woche Zwischenseminar in Dresden. Ich bin dann erst beim
zweiten Durchgang im März dran, bin auch nur erkältet und find’s eigentlich gar
nicht so schlecht, mal 10 Tage das Leben hier (mehr oder weniger) allein zu
schmeißen.
Meine erste Aktion in der neugewonnenen Freiheit war der
Gang zum Supermarkt. Ich war hier schon oft alleine einkaufen und deshalb ist
es auch eigentlich totaler Blödsinn, aber trotzdem fühlte das sich so ein
bisschen an wie ein „Ausflug aus dem Nest“, „Fini allein in Russland“ :D
Achja, und bei der Gelegenheit machte ich gleich auch noch
einen Abstecher in die Post.
Dort wurde ich gleich vom Mann vor mir in der Schlange
angesprochen. Er hatte irgendwelche Flyer in der Hand und ich versuchte mich
mal wieder mit meinem Standardsatz „Tut mir leid, ich verstehe kein Russisch“
sauber aus der Affäre zu ziehen, doch:
„Ah, do you
speak English?“ Mist! Dumm gelaufen… aber vielleicht war das auch nur
die gerechte Strafe, denn man soll ja bekanntlich nicht lügen und inzwischen
verstehe ich durchaus das Wesentliche auf Russisch (vorausgesetzt, dass mein
Gesprächspartner möchte, dass ich ihn verstehe und sich noch ein bisschen Mühe
gibt).
Also ein zähneknirschendes „Yes“ von mir… „I’m from Amerika“
– na super, jetzt muss ich auch noch für einen Muttersprachler mein Englisch
aus der allerhintersten Ecke meines Kopfes hervorkramen.
Er gibt mir einen Kalender in die Hand und einen Flyer für
irgendein Konzert, fragt was ich mache hier mache und ich antworte ihm, dass
ich hier für ein Jahr mit Kindern mit einer Behinderung arbeite – hin und
hergerissen, zwischen dem Vorsatz, nicht so naiv sein zu wollen, und gleich mit
jedem Fremden der dich auf der Straße anspricht frei drauf los plaudern zu wollen,
und meinem Unvermögen, irgendjemanden etwas Schlechtes zutrauen zu können. Er
sieht ja eigentlich ganz nett aus. Ich schiele auf den Kalender. Aha, ein
Bibelspruch, also hat er wahrscheinlich etwas mit der Kirche zu tun. Sollte
mich das nicht eigentlich beruhigen? Vielleicht weil ich ja gerade als Küken
einen Nestausflug mache, macht mich das vielleicht noch ein bisschen
skeptischer. Ein schöner Christ bin ich! Egal, er erzählt noch das er als
Lehrer an einer Uni seit 10 Jahren arbeitet, kauft nebenbei seine Briefmarken,
gibt mir seine E-Mailadresse und bietet mir gleich noch seine Hilfe an, sollte
ich die Frau am Schalter nicht verstehen.
Weil ich aber wie aus dem nichts doch ein paar Worte
Russisch kann, läuft alles glatt und ich will die Post schon verlassen, als er
noch mal auf mich zukommt. Die Gemeinde (wusste ich‘s doch!) hätte nämlich
Winterschuhe für bedürftige Kinder und vielleicht hätte ich dafür ja Verwendung.
Ich habe ihn dann einfach an Perspektivy verwiesen.
Na wer weiß, vielleicht war es doch nicht so schlecht, den
Mann getroffen zu haben… :)
So! Jetzt aber weiter mit Aktion 2 für heute: Großputz!
Auf die Besen, fertig, los!
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