Sonntag, 28. April 2013

Die zurückliegende Woche war ungewöhnlich anstrengend, aber sie begann ja auch schon mit einem bewegten Montag, der meinen Kopf noch bis jetzt mit viel Stoff zum Nachdenken füllte und mir am Abend dann schon allein wie eine ganze Woche vorkam…

Ich fuhr mit Sascha St. Ins Krankenhaus, wo er eine neue Sonde bekommen sollte. Das war aber auch so ziemlich alles, was ich wusste, als ich in den Krankenwagen stieg. Wir fuhren also los, ohne dass ich wusste wohin genau oder auch nur wie lange und das war ein sehr unangenehmes Gefühl. Aber wenigstens konnte ich aus dem Fenster sehen und versuchen im Vorbeifahren die Straßenschilder zu lesen. Ich musste daran denken, wie viel unangenehmer die Situation für Sascha sein musste, der doch noch weniger wusste, was mit ihm geschah, auch wenn ich es versucht, ihm zu erklären und die ganze Zeit ihm meine Hände auf Schulter und Stirn legte. Mir wurde plötzlich bewusst, dass Sascha auch im Alltag oft im Kleinen ähnlichen Situationen ausgesetzt ist. Ich nahm mir vor, mich selbst noch öfter an dieses Gefühl zu erinnern, um mir wenigstens ein bisschen besser vorstellen zu können, wie es ist, wenn man kaum Kontrolle über seinen eigenen Körper hat und einem viele Möglichkeiten fehlen, sich anderen mitzuteilen und dann vielleicht einfach jemand kommt und einen ohne ein Wort auch nur die Windeln wechselt.
Im Krankenhaus kannte die Schwester ihn offensichtlich schon, was mich ein bisschen beruhigte. Als sie ihn dann aber ins Behandlungszimmer brachten, durfte ich ihn nicht mehr begleiten. Das Warten auf dem Gang vor der verschlossenen Tür waren die längsten Minuten des Tages, vor allem als ich nachdem einige von ihnen verstrichen war, realisierte, dass das Weinen von Sascha stammte.
Ich war vor allem erleichtert, als sie ihn nach einer knappen Viertelstunde mir wiederbrachten und sagten, dass wir könnten wieder „nach Hause“ fahren.
Pawlowsk kam mir eindeutig als der freundlichere Ort für dieses Kind vor! Die meisten Leute, denen wir begegneten, starrten uns einfach an, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Neugier oder was auch immer, auch nur ansatzweise zu verstecken.
Ich habe jetzt noch mehr Respekt vor den Frauen, die nach der Geburt ihr Kind behalten und sich entschließen es bei sich zu Hause groß zu ziehen, denn wie verletzend muss es für eine Mutter sein, zu sehen, dass ihr Kind überall wie ein Sonderling behandelt wird und zu spüren, wie wenig es akzeptiert wird und dass es im Alltag irgendwie keinen richtigen Platz für es zu geben scheint…

Aber hey, es ist Frühling!
Wahrscheinlich gibt es gerade kaum etwas, dass mich euphorischer stimmt und ich feiere jede
Knospe und jede Sommersprosse, die ich entdecke :D
Was ich vor allem so faszinierend finde sind die Tage, die jetzt spürbar mit jedem Tag länger werden. Inzwischen ist es von 6 bis 22 Uhr richtig hell und es ist Wahnsinn, was das für eine Wirkung auf die Menschen und die Stadt hat. Eine der Pflegerinnen in meiner Gruppe hat neulich den ganzen Tag alle ihre Sätze (bemerkenswert schrill) trällernd beendet und auf den Straßen ist es auf einmal so bunt und voll und an jeder Ecke gibt es Straßenmusikanten. Es ist fast so als ob alle aus ihrem Winterschlaf erwacht sind und auf die Straßen gerannt sind, um ein halbes Jahr Winter mit wenig Sonne und Bewegung wieder aufzuholen. Ja, wahrscheinlich ist es ja auch genau so…
Die Sonne strahlte jedenfalls am Montag mit dem blauen Himmel um die Wette und deshalb schnappte ich mir nach dem Mittag noch Sonja & Danja, zog sie – nicht mehr ganz so dick! – an, klemmte sie mir links und rechts unter den Arm, was mit einem lauten Giggeln von Danja und einer fröhlichen Grimasse von Sonja kommentiert wurde und ging dann mit den Beiden im Zwilligswagen spazieren. Am Ende setzten wir uns gemütlich auf eine der vielen Hollywoodschaukeln, machten unsere Jacken auf, ließen uns die warme Sonne auf Bauch und Gesicht scheinen und sanft hin und her schaukeln :D

Nachdem wir alle so noch 3 schöne Stunden in Pawlowsk verbracht hatten, machte ich mich dann noch mit den anderen Freiwilligen direkt auf zur Eröffnung der Ausstellung «Parallelen», auf der es wirklich beindruckende Bilder von besonderen Künstlern aus der Hamburger Galerie «Die Schlumper» und der Perspektivy-Kunstwerkstatt des Erwachseneninternates in Peterhof zu bestaunen gab. Die Ausstellung soll zeigen, wie Menschen, die aus verschieden Kulturen, fast schon aus verschiedenen Welten kommen und voneinander gar nichts wissen können, in ihrer Kunst doch die gleiche Sprache sprechen…
Im russischen Fernsehen wurde dazu auch ein kleiner Beitrag gezeigt, den ihr euch hier auch gerne ansehen könnt:

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