Samstag, 26. Januar 2013

Was für ein Tag!


Ich fühle mich ungefähr so, als wäre ich von einem LKW mit Tonnen von neuen Informationen überfahren und gleich noch von einer Lawine Russisch überrollt worden. In meinem Kopf dreht sich alles und mein Rücken schreit nach einer Massage (hoffentlich tut’s auch eine warme Dusche…). Aber davon einmal abgesehen, bin ich ziemlich glücklich und einfach nur zufrieden, was nicht nur an den vielen leckeren Keksen und der riesen Auswahl an Schokoladenkonfekt liegt :)
Am Montag hatte mir meine Koordinatorin in Pawlowsk mitgeteilt, dass ich am Samstag ein Seminar hätte, weil ich ja das erste Einführungsseminar im Oktober verpasst hatte, und von diesem Seminar bin ich gerade nach Hause gekommen.
Das Programm von eigentlich 4 Tagen  in 8 ¾ anstrengende, aber wirklich spannende und lustige Stunden!
Wir hatten viel Zeit unsere Fragen zu stellen, uns wurden praktische Techniken gezeigt, wie wir unsere Schützlinge richtig heben, wickeln und waschen können, verschiedene Positionen, in denen wir mit ihnen spielen oder sie einfach nur umlagern können, und, und, und… das wichtigste, was ich von den ganzen Erklärungen mitnehme, ist eigentlich ganz einfach: wenn ich mich selbst mal beobachte, wie ich mich hinsetze oder umdrehe, ist es eigentlich ganz logisch, in welcher Reihenfolge und wie ich welche Körperteile bewege :)
Der beste Teil waren aber mit Abstand die 4 praktischen Übungen, bei denen es darum ging, am eigenen Körper zu erleben, wie ungefähr sich unsere Schützlinge fühlen müssen. So wurden wir im Liegen schnell von einer Sanitarka (unserem Übungspartner) gefüttert, haben in einem Rollenspiel eine Kommunikationssituation nachgestellt und über mögliche Schwierigkeiten diskutiert, haben den Umriss einer Birne nachgezeichnet, wobei wir nur im Spiegel den Stift verfolgen konnten und wir wurden mit verbundenen Augen und Händen wortlos in einem Rollstuhl durch die Gegend, über Holperpflaster, um scharfe Kurven und gegen Stufen geschoben…
Auch wenn man sich natürlich viel Mühe gibt, den Kindern auf der Arbeit immer alles zu erklären, was man mit ihnen vorhat und ihnen Zeit zu geben, um sich auf die neue Situation einzustellen, gehen doch viele Handgriffe bereits in Routine über und es war gut, mal wieder daran erinnert zu werden, zu versuchen, die Welt von ihnen aus wahrzunehmen.
Was mich aber vor allem glücklich und stolz macht, ist die sprachliche Herausforderung, die das Seminar heute für mich war, da es komplett auf Russisch war.
Ich war wieder erstaunt, wie viel ich doch verstand, noch erstaunter über die Mittagspause, in der ich mich doch tatsächlich eine Stunde lang auf Russisch unterhalten konnte und sogar mal an etwas mehr als Smalltalk wagte und am erstauntesten als ich in der Abschlussrunde auch einige zusammenhängende Sätze vor 21 echten Russen und einer Deutschen, die (soweit ich das beurteilen kann) aber fließend Russisch spricht, herausbrachte. Mein persönlicher neuer Russischrekord!
So, für heute möchte ich aber kein Wort Russisch mehr hören oder sprechen, sondern erstmal eine Runde skypen, um den Stausee an deutschen Wörtern loszuwerden, der sich im Laufe des Tages so angesammelt hat!

Sonntag, 20. Januar 2013

Erste Gedanken zu meiner neuen Arbeit


Jetzt ist schon wieder fast ein Wochenende vorbei! Morgen geht es wieder weiter mit der Arbeit und ich freu mich richtig drauf (naja, vielleicht abgesehen von dem frühen Aufstehen)
Seit eineinhalb Wochen arbeite ich jetzt schon in Pawlowsk und nun möchte ich euch auch endlich etwas davon erzählen.
Als erstes muss ich sagen: Ich liebe meine neue Arbeit jetzt schon und bereue es auf keinen Fall dorthin gegangen zu sein, auch wenn die ersten Tage natürlich sehr anstrengend und ich abends oft fix und fertig war, von den ganzen neuen Eindrücken…
In meinem Kopf wirbeln noch all die neuen Farben, Gedanken und Fragen wild durcheinander, und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen, ohne alles durcheinander und auf einmal sagen zu wollen. Ich versuch‘s mal:
Ich arbeite jetzt also in einem staatlichen Kinderheim für Kinder mit geistiger Behinderung.
Die meisten Kinder wurden gleich nach der Geburt von den Eltern in ein Säuglingsheim gegeben und der Staat übernahm das Sorgerecht. (Einige Kinder haben aber noch Eltern, die sie mehr oder weniger regelmäßig besuchen). Mit 4 Jahren kommen diese Kinder dann nach Pawlowsk und bleiben in der Regel dort, bis sie 18 sind und in ein Erwachseneninternat ziehen.
Die Kinder leben in Gruppen von ca. 10 Kindern zusammen in einem Zimmer, wo jeweils eine Sanitarka (eine unausgebildete Pflegekraft; meistens ältere Frauen, die sich etwas zu ihrer Rente dazuverdienen) im 24h-Schichtdienst sie beaufsichtigt, wäscht, wickelt und füttert.
Außerdem gehören zum staatlichen Heimpersonal noch eine Erzieherin pro Zimmer, Krankenschwestern und 2 Ärzte.
Die Kinder erhalten leider nur das Überlebenswichtigste: drei Mahlzeiten am Tag, ein Bett und eine medizinische Grundversorgung.
Dass diese Kinder genauso wie alle anderen auch emotionale Zuwendung brauchen und sich mit individueller Förderung durchaus weiterentwickeln und lernen können, wissen viele hier noch nicht.
Perspektivy hat deshalb vor fast 20 Jahren damit begonnen Freiwillige und Pädagogen in das Heim zu schicken, die die Kinder für ein paar Stunden am Tag aus den Betten holen, sie in den Arm nehmen, spielen und fördern.
Ich arbeite in der Gruppe 33 mit 8 Kindern. Die Kinder sind alle wunderbar und ich könnte schon stundenlang von ihnen erzählen. Das hebe ich mir aber noch für ein anderes Mal auf, weil ich fürchte, dass das sonst wirklich zu viel werden würde und außerdem lerne ich sie ja jetzt auch erst nach und nach besser kennen.
Dafür möchte ich euch kurz beschreiben, wie mein Arbeitstag aussieht. Den Anlauf habe ich soweit schon ganz gut drin, da der größte Teil des Tages von Pflegerischen Aufgaben beansprucht wird und das eigentlich immer gleich abläuft.
Morgens um 6 (also 2 Stunden früher) klingelt jetzt immer schon mein Wecker und um kurz nach halb 7 verlasse ich das Haus, 10 Minuten zur Metro, 3 Minuten Rolltreppe fahren, 30 Minuten in der Metro bis zum Bahnhof. Dort treffe ich eigentlich immer einige Mitfreiwillige und wir fahren zusammen 25 Minuten mit der Eletrischka (sowas wie ein Zug) bis Pawlowsk. Im Zug ist es schön mollig warm, draußen leuchten die Lichter der Stadt, die wir hinter uns lassen, und meistens wird noch ein bisschen gedöst, bevor es dann raus in die dunkle Kälte geht. 20-25 Minuten Fußweg sind es nochmal bis zum Heim, aber das stört mich überhaupt nicht. Im Gegenteil! Ich mag meinen neuen Arbeitsweg. Morgens habe ich genug Zeit, mich langsam auf die Arbeit einzustellen und Nachmittags kann ich schon entspannen, loslassen und meinen Kopf an der herrlich klaren Luft wieder abkühlen lassen. Und das Beste: auf dem Nachhauseweg sehe ich jetzt jeden Tag die Sonne. Während meiner Zeit im Tageszentrum habe ich unter der Woche so gut wie nie die Sonne gesehen, wenn ich morgens um 10 im Zentrum ankam, war es immer noch und abends um 5 schon wieder dunkel. Und mein Arbeitsweg mit Bus und Metro mitten im Berufsverkehr war kaum kürzer und eigentlich nur stressig.
Jetzt vergeht er wie im Flug und mit den anderen Freiwilligen gibt es auch immer viel zu lachen.
Nuun aber endlich zur Arbeit!
Ich fange morgens um halb 9 an und setzte alle Kinder, die sitzen können in ihre Stühle, damit sie zum Frühstück im Sitzen gefüttert werden können. 4 meiner Kinder können sogar mit etwas Aufsicht ganz alleine essen. Ich füttert meistens ein oder zwei Kinder bzw. versuche, mit ihnen gemeinsam den Löffel zu halten und zu essen. Nach dem Frühstück setze ich die Kinder, die können, auf den Topf und wickle alle und wasche ihnen die Gesichter. Jeden Donnerstag ist bei uns Bannja. Die Kinder werden gebadet, alle Ohren geputzt und die Fingernägel geschnitten.
Die anderen Tage habe ich von 10 – 12 freie Zeit, in der ich mir ein oder mehrere Kinder (die gerade nicht bei einem Pädagogen Unterricht haben) nehmen kann, um mit ihnen spazieren zu gehen, im Spielzimmer zu spielen oder Sitzen, Laufen und ähnliches zu üben.
An manchen Tagen gibt es in dieser Zeit auch in verschiedenen Zimmern Angebote, wie Snoozeln, Malen oder Musik zu denen ich mit den Kindern gehen kann.
Von Viertel bis Dreiviertel 1 haben wir Freiwilligen gemeinsame Mittagspause. Danach helfen wir in unseren Gruppen wieder beim Mittagessen und anschließend wieder bei der Töpfchen- und Wickelrunde. Außerdem werden allen Kindern die Zähne geputzt. Mein Arbeitstag endet eigentlich nach 6 Stunden um halb 3. Von 2 – 3 ist im Kinderheim aber eigentlich eine Ruhestunde, in der die Kinder in Betten bleiben und schlafen sollen. Wenn man bei der Schwester nachfragt, kann man die Kinder aber schon nochmal rausholen und etwas mit ihnen machen. Zum Beispiel haben wir neulich im Spielzimmer auf einer Leinwand Multfilme („Nupagadi“ falls das noch welche kennen) geguckt.
Je nach dem gehe ich zwischen 2 und halb 4 wieder nach Hause.
Perspektivy ist in dem Heim eigentlich nur geduldet und muss deshalb alle Aktivitäten mit der Heimleitung abklären. Welche Rollen genau aber die einzelnen Personen und Organisationen spielen, habe ich noch nicht wirklich durchschauen können. Ich schaue mir jetzt erstmal alles in Ruhe an, versuch einfach mitzumachen und kann und will deshalb auch noch nicht viel dazu sagen. Ich weiß zum Beispiel nur, dass wenn ich mit einem Kind spazieren gehen oder ins Spielzimmer will, ich vorher die Oberschwester fragen muss, dass die Windeln nur von der Sanitarka herausgegeben werden dürfen und so weiter...
Auch den Sanitakas und der Erzieherin werde ich noch nicht so ganz schlau. Meistens schauen sie nur zu, was ich da mit den Kindern „anstelle“ und sagen gar nichts. Ich wüsste gerne, was sie so denken…
Manchmal stehen sie auch neben mir und sagen, ich soll doch etwas schneller machen, oder dass ich nicht so vorsichtig sein muss, dass es schließlich keine Babys mehr seien.
Auf der einen Seite ist ihr Umgang mit den Kindern für mich doch erschreckend grob, und es ist ein komisches Gefühl zu wissen, dass  letztendlich sie alle Entscheidungen treffen, auch wenn ich manchmal denke, dass ich es rein aus dem Gefühl „besser“ machen könnte als sie und ich verstehe ihre Sicht auf die Arbeit und die Kinder einfach nicht.
Auf der anderen Seite sind sie auch Menschen. Ich schreibe das so, weil mir das manchmal so ganz schlagartig bewusst wird. Sie sind immer sehr freundlich zu mir, bedanken sich Nachmittags dafür, dass ich da war. Auch die Kinder sind ihnen keinen falls egal. Sie reden auch mal mit ihnen, schauen nach ihnen, wenn sie schreien oder gehen hin und wieder sogar mit ihnen spazieren.
Ich kann das noch nicht so richtig in Worte fassen, irgendwie ist mein Bild noch ganz verdreht und verzerrt und verschwimmt vor meinen Augen, wenn ich es genauer betrachten möchte. Ich brauche einfach ein bisschen mehr Geduld mit allem, vor allem mit mir. Das ist das, was ich aus den vergangenen 8 Arbeitstagen vor allem für mich festhalten kann.

Samstag, 19. Januar 2013

Pech gehabt…oder doch nicht?

Seit heute um halb 3 bin ich alleine. Bettina und Sophie haben ihre Koffer gepackt, sind auf und davon nach Deutschland und haben mich hier ganz alleine und krank mit noch einer Scheibe Brot in der großen Wohnung, im noch größeren St. Petersburg und dem allergrößten Russland gelassen!
Ok, oder etwas weniger theatralisch ausgedrückt: die beiden haben jetzt eine Woche Zwischenseminar in Dresden. Ich bin dann erst beim zweiten Durchgang im März dran, bin auch nur erkältet und find’s eigentlich gar nicht so schlecht, mal 10 Tage das Leben hier (mehr oder weniger) allein zu schmeißen.
Meine erste Aktion in der neugewonnenen Freiheit war der Gang zum Supermarkt. Ich war hier schon oft alleine einkaufen und deshalb ist es auch eigentlich totaler Blödsinn, aber trotzdem fühlte das sich so ein bisschen an wie ein „Ausflug aus dem Nest“, „Fini allein in Russland“ :D
Achja, und bei der Gelegenheit machte ich gleich auch noch einen Abstecher in die Post.
Dort wurde ich gleich vom Mann vor mir in der Schlange angesprochen. Er hatte irgendwelche Flyer in der Hand und ich versuchte mich mal wieder mit meinem Standardsatz „Tut mir leid, ich verstehe kein Russisch“ sauber aus der Affäre zu ziehen, doch:
„Ah, do you speak English?“ Mist! Dumm gelaufen… aber vielleicht war das auch nur die gerechte Strafe, denn man soll ja bekanntlich nicht lügen und inzwischen verstehe ich durchaus das Wesentliche auf Russisch (vorausgesetzt, dass mein Gesprächspartner möchte, dass ich ihn verstehe und sich noch ein bisschen Mühe gibt).
Also ein zähneknirschendes „Yes“ von mir… „I’m from Amerika“ – na super, jetzt muss ich auch noch für einen Muttersprachler mein Englisch aus der allerhintersten Ecke meines Kopfes hervorkramen.
Er gibt mir einen Kalender in die Hand und einen Flyer für irgendein Konzert, fragt was ich mache hier mache und ich antworte ihm, dass ich hier für ein Jahr mit Kindern mit einer Behinderung arbeite – hin und hergerissen, zwischen dem Vorsatz, nicht so naiv sein zu wollen, und gleich mit jedem Fremden der dich auf der Straße anspricht frei drauf los plaudern zu wollen, und meinem Unvermögen, irgendjemanden etwas Schlechtes zutrauen zu können. Er sieht ja eigentlich ganz nett aus. Ich schiele auf den Kalender. Aha, ein Bibelspruch, also hat er wahrscheinlich etwas mit der Kirche zu tun. Sollte mich das nicht eigentlich beruhigen? Vielleicht weil ich ja gerade als Küken einen Nestausflug mache, macht mich das vielleicht noch ein bisschen skeptischer. Ein schöner Christ bin ich! Egal, er erzählt noch das er als Lehrer an einer Uni seit 10 Jahren arbeitet, kauft nebenbei seine Briefmarken, gibt mir seine E-Mailadresse und bietet mir gleich noch seine Hilfe an, sollte ich die Frau am Schalter nicht verstehen.
Weil ich aber wie aus dem nichts doch ein paar Worte Russisch kann, läuft alles glatt und ich will die Post schon verlassen, als er noch mal auf mich zukommt. Die Gemeinde (wusste ich‘s doch!) hätte nämlich Winterschuhe für bedürftige Kinder und vielleicht hätte ich dafür ja Verwendung. Ich habe ihn dann einfach an Perspektivy verwiesen.
Na wer weiß, vielleicht war es doch nicht so schlecht, den Mann getroffen zu haben… :)
So! Jetzt aber weiter mit Aktion 2 für heute: Großputz!
Auf die Besen, fertig, los!

Montag, 14. Januar 2013

Entschuldigt bitte diesen Monsternachtrag!


Oje, da habe ich jetzt wirklich schon einige Wochen unterschlagen und auch wenn es mir schon so vorkommt, dass das alles schon wieder Schnee vom letzten Jahr ist (haha, das ist es ja wirklich. . .), will ich trotzdem noch das Loch in meiner Berichtskette stopfen, weil es wenn ich nochmal so darüber nachdenke doch recht wichtige Erfahrungen in meinem Freiwilligendienst für mich waren.
Anfangen sollte ich vielleicht beim Weihnachtsfest, das erste Weihnachten das ich nicht in unserem deutschen Wohnzimmer, sondern in einer russischen Küche feierte, in einem Land, in dem der 24. Dezember ein ganz normaler Arbeitstag wie jeder andere ist.
Auf der einen Seite hatte ich meistens das Gefühl Weihnachten würde dieses Jahr einfach ausfallen. Weil aber auch für alle anderen um mich herum nicht der erste, zweite, dritte, vierte Advent und schließlich Heiliger Abend war, störte es mich auch gar nicht so wirklich, wovon ich selbst völlig überrascht war. Ich liebe eigentlich die Weihnachtszeit, gemütliche Nachmittage, Orangen & Zimt, Familienfeste & die Suche nach Ruhe.
Auf der anderen Seite habe ich hier in Russland, wo das zum ersten Mal nicht so selbstverständlich zum „Alle-Jahre-wieder-Trott“ gehörte, viel mehr über Weihnachten und wie ICH es feiern will nachgedacht. Eigentlich sollte Weihnachten ja nicht an einem Baum und anderen Äußerlichkeiten hängen, sondern im Herzen sein. . .
Naja, aber das ist gar nicht so leicht.
Damit Weihnachten für uns hier nicht ein Tag wie jeder andere werden sollte, zogen Sophie und ich mit unseren Schlafsäcken schon am 23. zu Bettina in die Wohnung (achja, wegen dem Wasserrohrbruch hatte Bettina vorrübergehend noch eine Ausweichwohnung von Perspektivy bekommen).
Am Nachmittag wurden die Weihnachtseinkäufe erledigt, fleißig Kuchen für die Arbeit am nächsten Tag gebacken und jede Menge Schokolade gegessen/gelöffelt.
Der 24. begann dann mit einem gemeinsamen aber eher verschlafenen Weihnachtsfrühstück (die Nacht war doch furchtbar unbequem), wir verabschiedeten uns von Sophie, für die es mit dem Flieger abends noch nach Deutschland ging, und dann gingen Bettina und ich zur Arbeit, wie alle Russen. . .
Im Spielzimmer hörten wir den ganzen Tag deutsche Weihnachtslieder. Wir waren noch besser drauf als sonst, aber Weihnachtsgefühl? Fehlanzeige!
Von der Arbeit aus machten wir uns direkt auf den Weg zur Kirche und blieben natürlich ausgerecht an diesem Abend im größten Feierabendstau stecken, malten an die beschlagene Scheibe unseres Busses einen Weihnachtsbaum und kamen 20 Minuten zu spät. . .aber in der Kirche war es ehe alles andere als ruhig, überfüllt wie in Deutschland, Leute, die raus und rein liefen, Leute, die plötzlich unbedingt der Frau ganz in der Mitte zwei Reihen weiter vorne etwas sagen und sich durchdrängeln mussten, Leute, deren Pelzmantel plötzlich ein bisschen Feuer fing, Leute, die ihren Kindern einen Film auf dem Laptop anmachten oder die mit ihren Handys jede Bewegung des Pfarrers bildlich festhalten mussten. . .
Aber das Krippenspiel war ganz süß, der Pfarrer stimmte gut gelaunt vertraute Weihnachtslieder an, lief mit seinem Gesangsbuch durch die Kirche, um Buchlose zum Mitsingen zu animieren und dann, als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, ein kurzer Moment von „Weihnachtsgefühl“ und „Zuhausesein“, als die Lichter ausgingen, die Kirche nur noch im Licht hunderter kleiner tanzendender kerzenflammen strahlte und „Stille Nacht“ erklang. Zum Glück folgte darauf noch „Oh, du fröhliche". . . :D
Nach der Kirche das übliche hektische Gedränge auf dem Newskii und in der Metro, aber unsere Küche war eine kleine Weihnachtsinsel. Ein leckeres Abendessen und eine kleine Bescherung auf dem Küchenfußboden. Danke, Bettina!



Bäumchen, mein Wichtelgeschenk, das ich auf der Freiwilligenweihnachtsfeier gezogen habe und der wohl schönste Weihnachtsbaum meines Lebens, einfach deshalb, weil ich mich noch nie so sehr über einen bewusst gefreut habe. . .


Den ersten Weihnachtsfeiertag hatte ich mir freigenommen, um mein schönstes Weihnachtsgeschenk vom Flughafen abzuholen – meine Josy!
Es wurden zehn wunderschöne gemeinsame Tage. Ich konnte endlich jemandem von meinen Lieben mein Leben hier (sogar noch meine Arbeit im Tageszentrum) zeigen und Josy erzählte soviel von Zuhause und meinen lieben Daheimgebliebenen, dass es auch für mich so etwas wie ein kleiner „Deutschlandurlaub“ und ich war jedes Mal fast ein wenig überrascht St. Petersburg und nicht Bernau vor der Haustür zu finden…
Hauptsächlich machten wir „Urlaub“, also bis spät in die Nacht quatschen und laaaange Ausschlafen, aber ein bisschen Piter haben wir doch erkundet, und wenn Bettina, Marcel (ihr Besuch) und ganz wichtig ihre Kamera dabei waren, dann sind sogar mal ein paar Bilder entstanden.
und natürlich haben auch alle einen Namen ;)
das sind Eva & Oskar
Kuscheltiere zu fotografieren ist
anscheinend so langsam bei uns zu
einer echt beliebten Sportart
oder ansteckenen Krankheit geworden
Keine Angst,
das mit dem Keks müsst ihr nicht verstehen. . .
Bruno
und Josy, ich bin echt stolz auf dein Strickwerk! ;)
Die Auferstehungskirche von innen

Zahnputzbild! :D
Silvester feierten wir mit den anderen in Russland gebliebenen Freiwilligen und einem Bewohner aus dem Erwachseneninternat Peterhof im Tageszentrum (in dem Sophie sonst arbeitet)
Es wurde jede Menge Reis und estnischer Nachtisch gegessen, getanzt und "Stadt, Land, Tod" gespielt.
Das Anstoßen um Mitternacht verpassten wir beinahe, weil der Radiosender scheinbar völlig gleichgültig das nächste Lied spielte, ohne mit auch nur mit einem Piep zu verraten, dass ein neues Jahr begonnen hatte. Aber glücklicherweise fand sich ja noch eine Uhr, auf der es noch nicht ganz Mitternacht war und nach der wir dann Ruterzählen konnten. . . :D
Weil hier in Russland anscheinend nicht Punkt 12 geknallt, sondern das Jahr erst noch in den Wohnungen mit der ganzen Familie begrüßt wird, wuschen wir als erstes auch gleich mal ab und beseitigten das schlimmste Chaos, bevor wir mit den Menschenmassen zur Ermitage strömten.


Wiener Walzer
oder so. . .

Bettina, live und in Farbe :)

Josy!



Auf dem Nachhauseweg stießen Josy und ich dann noch um drei an der Newa zum deutschen Neujahr auf euch an – mit blauen und roten Plastikbechern und Mineralwasser, dass wir für den Fall dabei hatten, dass wir es nicht rechtzeitig nach Hause schafften… ;)

 
Am 04. Januar feierten wir ein bisschen meinen Geburtstag, ganz gemütlich mit Bliniefrühstück, einer kleinen Spielerunde und superleckerem!!! Schokokuchen.







Am nächsten Tag sozusagen dann „fliegender Wechsel“ von Josy und Sophie, die pünktlich zum russischen (orthodoxen) Weihnachten am 06. Januar wieder zurückkam.
Wie Weihnachten nun so richtige in Russland gefeiert wird, kann ich aber leider immer noch nicht so richtig sagen. Wir wollten eigentlich uns einen orthodoxen Gottesdienst anschauen und fuhren gegen Neun zur  am Newskii. Gottesdienstzeiten hatten wir leider im Internet nicht rausfinden können und deshalb stellten wir erst in der Kirche fest, dass die eigentliche Feier erst um Elf beginnen würde. So lange wollten und konnten wir wegen der letzten Metro auch gar nicht bleiben, schade…
Wir erfanden das russische Weihnachten für uns einfach ganz neu und machten einfach nochmal eine „deutsche Bescherung“.
Die Geschenke gibt es in Russland nämlich eigentlich zum Neujahrsfest („Новый год „), das man hier tagelang mit der Familie feiert. Da das christliche Weihnachten in Russland lange Zeit verboten war, wurden Bräuche wie Weihnachtsschmuck und -baum einfach auf das Neujahrsfest verschoben und dabei eine – wirklich auch nur ganz winzige und kaum bemerkbare – Spur bunter, lauter und schriller gemacht ;)
Hey Schlümpfe ho!



und nochmal für die Kamera

Sophie im 7. Schlumpfenhimmel


Und am 07. Januar ging es dann mit dem Feiern in der „Langweiler-WG“ gleich weiter:
Bettinas Geburtstag und ich feierte meinen mit ihr zusammen und den anderen freiwilligen gleich nochmal nach und wie wir beide nun mal so sind mit einer Kakaoparty… :)



kalt - ganz kalt - warm - wärmer - heiß!








Fingerstempel - Bastelstunde
Wow, du hast dir wirklich die Mühe gemacht und das alles gelesen?! Danke :)


Dienstag, 8. Januar 2013

„Abschied heißt was Neues kommt – Abschied heißt Hallo!“


Der letzte Monat war bisher der schönste, aufregendste und gleichzeitig auch traurigste Monat für mich.
In den letzten vier Wochen ist so viel passiert, hat sich so viel verändert, dass ich jetzt im Rückblick meine Gedankengänge und die wechselnden Gefühle nachvollziehen kann. Kaum zu glauben, aber Anfang des Monats war mir noch gar nicht klar, dass es mein letzter im Tageszentrum sein und ich danach nach Pawlowsk ins Kinderheim (die Stelle, in der ich ursprünglich auch arbeiten sollte) wechseln würde. Nun liegt mein letzter Arbeitstag bereits eine Woche hinter mir.
Das heißt auf der einen Seite, dass eine wunderschöne Zeit für mich zu Ende ist, viel früher als ich gedacht hätte, und ich einiges hinter mir lasse:
die vielen neuen netten Leute, die ich dort kennengelernt habe, meine inzwischen so vertraute Arbeit, bei der ich mich schon so sicher fühlte, „Tina & Fina“ und „meine“ Kinder, vor allem die Kinder…
Mit am meisten werde ich auch die Taxifahrten mit Michel vermissen, unser eingespieltes Team, das wir am Ende waren. Kaum dass wir auf der Rückbank saßen, hielt er mir schon seine Handflächen hin, damit ich die Linien mit meinen Fingern nachzeichnen konnte, während er einfach ganz regungslos dasaß und aus dem Fenster schaute. Später nahm er manchmal meine Hand und hielt sie minutenlang an seine Wange und auf unserer letzten gemeinsamen Fahrt legte er seinen Kopf auf meine Schultern und fing aus heiterem Himmel an zu lachen, so wie nur Michel lacht.
Aber bevor ich hier noch zu melancholisch werde, lieber zu der schönen Seite, die selbst der Abschied vom Tageszentrum hat.
Dass er mir nicht so leicht gefallen ist, dass ich nicht „einfach mal so“ die Stelle wechsel, lässt mich ja schließlich auch fühlen, dass meine Zeit dort richtig war. Nach nur einem Drittel meines Freiwilligenjahres, durfte ich schon diese Erfahrung machen, die Freiwillige sonst eigentlich erst am Ende ihres Dienstes machen. Und mein Freiwilligendienst geht jetzt erst in Runde 2!
Ich darf ein weiteres Projekt von Perspektivy kennenlernen, neue Erfahrungen machen und viele neue Gesichter erwarten mich. Sicherlich auch wieder neue Hindernisse und Herausforderungen (z.B. schon vom sprachlichen Aspekt her), aber auch das verbuche ich eigentlich schon wieder als eine neue Chance für mich, zu wachsen!
Wenn ich mit anderen Freiwilligen aus Pawlowsk gesprochen habe, war gleich der erste Satz, dass ich so eine tolle und süße Gruppe bekomme :)
Morgen geht es los! Ich bin gespannt!