Sonntag, 28. Oktober 2012

Heute mal keine Fotos

Die letzten zwei Tage, die ich noch krank geschrieben war, habe ich mir viel Zeit genommen, nochmal durchzuatmen, bevor es morgen (endlich!) wieder richtig losgeht.
Es war schön, letzte Woche Zeit zu haben, alles in Ruhe zu erledigen, was bei mir bis dahin nur auf dem Ablagestapel gelandet war, und alles wieder für mich zu ordnen, aber jetzt bin ich echt froh, dass ich wieder arbeiten gehen und alle wiedersehen kann!

Heute früh um 9 klingelte mein Handywecker. Nach drei Wochen, in denen mein Tag vor eins nicht so richtig in die Gänge kommen wollte, tat es richtig gut, gleich aus dem Bett -vielleicht noch ein bisschen müde, aber dafür nicht so zerknittert- zu springen, vor dem Mittag zu frühstücken, den Schlafanzug gegen richtige Sachen zu tauschen und ein bisschen raus an die frische Luft zu gehen.
Aus einem kurzen Spaziergang wurden, ohne dass ich es so recht bemerkte, zwei wunderschöne Stunden allein "mit mir" in kleinen Parks, auf Brücken und Straßen entlang der Newa.
Und ich habe heute wohl so manch neuen fantastischen Platz entdeckt. Meine Kamera habe ich aber zu Hause gelassen. Von machen Momenten macht man lieber "mentale Fotos", weil die Farben, Gerüche und Gefühle manchmal in der Erinnerung viel schöner sind. Wahrscheinlich wäre man von Papierfotos (oder noch schlimmer,von der Flut an digitalen Bildern, die man meistens doch ziemlich achtlos knipst, nur um ja alles festgehalten zu haben, was einem vor die Linse gekommen ist) später nur enttäuscht. Sicher, man kann mentale Fotos niemanden zeigen, aber muss das denn immer sein? Manche Momentaufnahmen können einem anderen doch nie so viel bedeuten, wie demjenigen, der sie gemacht und diesen Moment gelebt hat. . .

Sankt Petersburg ist wirklich riesig, und es gibt jeden Tag und überall noch soooo viel zu entdecken! Eigentlich sammel ich die ganze Zeit nur kleine Puzzleteile und versuche sie dann zu einem großen bunten Mosaik zusammenzusetzen, wobei ich noch nicht wissen kann, wie das fertige Bild am Ende aussehen wird und ob ich es überhaupt jemals fertig werden wird.
Aber bisher habe ich schon viele beeindruckende und faszinierende Puzzleteile gesammelt und mir gefällt das Leben in der großen Stadt, der nördlichsten Millionenstadt, dem Venedig des Nordens, in Piter. . .
Das Leben hier ist schnell (man sieht Leute, die bei rot über eine Ampel stürmen, stolpern, sich überschlagen und weiter zu Metrostation rennen, und sich im letzten Moment durch die schließenden Wagontüren schieben, obwohl die nächste Metro schon fast auf die Einfahrt in den Bahnhof wartet), aber schnell, turbulent ist mein Leben ja gerade auch und vielleicht finde ich deshalb auf den Straßen, trotz des Verkehrs, meine Ruhe. . .
Eine russische Straße, in der mir von bunten Plakaten oder von leuchtenden Ladenschildern kyrillische Buchstaben entgegenspringen, ist längst nicht mehr die unglaubliche neue Welt, die sie noch vor ein paar Wochen für mich war, sondern tatsächlich Alltag.
Ich habe gestern mein letztes deutsches Taschentuch aus der Packung, die ein schönes Bild aus Mecklenburg zeigte, gezogen. . .
Langsam bin ich wohl wirklich angekommen. Diese Wohnung hier, ist jetzt mein neues Zuhause, zumindesten "physisch" betrachtet. Da bleiben ja immer noch die wunderbaren Menschen, die auch immer eine Art "Zuhause" für mich waren. Daran hat sich zum Glück nichts ge-, nur vielleicht etwas VER-ändert.
Aber diese Menschen zeigen mir, dass Raum (und Zeit) auf eine Art auch immer etwas Veränderbares ist, dass plötzlich eine Couch über 1300 km lang sein und beim Geschichten vorlesen mein Bett wieder in meinem ersten Kinderzimmer stehen kann. Und wer weiß, vielleicht liegen bei euch ja doch bald ein paar Blinies von mir zum Probieren auf den Tellern. . .

Dienstag, 23. Oktober 2012

Vorsicht, hyperaktive Eichhörnchen und übergewichtige Tauben!

Es wird kühl in St. Petersburg! Die Autofahrer müssen morgens schon fleißig kratzen. Das hat zumindestens Bettina erzählt. Sophie und ich bekommen davon natürlich nichts mit. Zu dieser Zeit schlafen wir uns immer noch gesund, ganz brav wie immer ;)
Spazieren gehen ist auch gut, haben gleich 4 Ärzte gesagt. Also gleich nach dem Frühstück nichts wie raus an die herrlich klare Herbstluft und das Wetter genießen, solange es noch schön ist. Es ist wirklich schon ziemlich frisch, aber so konnte ich endlich wieder meine Lieblingshandschuhe von Omimi anziehen :)
Und dann ließ ich mich gerne von Sophie auf die Inseln ("острова") entführen. . .
Unglaublich, nur eine halbe Stunde mit der Metro von uns Zuhause liegen die 3 grünen Inseln, eine ganze Märchenwelt zum Träumen. Fernab vom Straßenlärm kann man hier wieder Kraft tanken und die Natur genießen, die uns mit ihren atemberaubenen Farben richtig den Kopf verdereht und ganz in ihren Bann gezogen hat.
Wer einmal in St. Petersburg ist, sollte dort unbedingt vorbeischauen. Aber ersteinmal nehme ich euch gerne mit auf einen kurzen Fotospaziergang:

Auf der ersten Insel gibt es einen sehr leibevoll angelegten Freizeitpark. Man bezahlt keinen Eintritt sondern jedes Karussell einzeln. Unter der Woche stehen die jetzt aber alle still und mit seinen wenigen Besuchern (außer uns nur Rentner mit ihren Enkeln) wirkt der Park richtig verträumt.























2 Steinböcke - Für Mami ♥

Über eine Holzbrücke gelangt man auf die nächste Insel, auf der nur einige wenige weiße Gebäude stehen, von denen jedes wie ein kleines Schlösschen aussieht und wo sich ansonsten die schmalen Waldwege zwischen leuchtenden Herbstbäumen, kleinen Seen und Flüssen verlieren.

 














 
 


 

 
Viele Menschen sieht man hier nicht. Dafür unglaublich viele Eichhörnchen, vor denen sogar ein Schild warnt.
Die putzigen Tierchen tobten um uns herum und beäugten uns mit ihren schwarzen Knopfaugen - von krimineller Energie aber keine Spur! :D






Noch öfter als Eichhörnchen sieht man hier aber Tauben, ziemlich fette Tauben übrigens, die uns auch noch nach Futter anbettelten.
Das bekamen sie allerdings nicht, sondern einen Vortrag, dass extremes Übergewicht ungesund sei und nur das Risiko für einen Herzinfarkt steigere. Weil die Tauben sich davon jedoch völlig unbeeindruckt zeigten, scheuchten wir hin und wieder eine besonders dicke Taube aus dem Weg. Sie flog dann müde zwei, drei Meter, aber wir müssen uns jetzt nicht vorwerfen, wir hätten es nicht wenigstens versucht, den armen Tieren zu etwas Sport zu verhelfen :D














Auf einer Parkbank machten wir dann noch eine kurze Pause, um einen heißen Tee zu trinken und einen Apfel zu knabbern, und dann ging es mit roten Nasen, müden Füßen, aber glücklichen Gesichtern zurück in die warme Küche zu heißem Apfelsaft und leckerem Kuchen.


 

Sonntag, 21. Oktober 2012

Darf ich vorstellen...

unseren neuen Mitbewohner EDGAR EULE



Der Gute hat gleich vorne und hinten Augen im Kopf. Einmal um dem Nachbarn einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben, sich vielleicht doch etwas anzuziehen, bevor sie vor dem Küchenfenster rumhandtieren und zum anderen um meine beiden Mitbewohnerinnen im Auge zu behalten, die abends gerne mal auf dumme Idee kommen und dann armen kleinen Kastanien (unserer Herbstdeko) das Leben schwer machen und dabei auch noch unsere letzten Teelichter ruinieren :P
 

Die Sterneküche empfiehlt: Kartoffeln mit Öl

Mal wieder ein kleiner Bericht von den kranken Hühnern aus der Bazillenbude ;)
Mir geht es es eigentlich schon wieder ganz gut. Zumindest sieht mein Hals nicht mehr so aus, als würde ein Tennisball drinstecken und bald werden mich auch nicht mehr ältere Leute am Stock auf der Straße überholen und ich werde auch wieder die Treppen zur Wohnung schaffen, ohne auf jeden Absatz eine Pause einlegen zu müssen. Am Freitag war ich zum letzten Mal in der Amerikanischen Klinik und habe Sophies und meinen Lieblingsvampierärzten ein wenig Blut gespendet. Fast schon ein bisschen schade, jetzt wo mich alle dort kennen und eine etwas ältere Krankenschwester mich immer schon mit einem erfreuten "девушка!" (Mädchen!) begrüßt hat.
10 Tage bin ich jetzt noch krank geschrieben und JA, ich werde brav sein, viel schlafen, an der frischen Luft spazieren gehen und mich ansonsten schonen - versprochen! Auch wenn ich meine Kollegen und die Kinder schon richtig vermisse (die haben OHNE MICH Kekse gebacken!) und es kaum erwarten kann, endlich wieder zu arbeiten!
Aber ich bin ja zum Glück nicht allein. Sophie muss auch noch die nächste Woche zu Hause bleiben und so viel wie bei uns gelacht wird, kann es uns wirklich nicht mehr so furchtbar schlecht gehen.
Neben einer Menge Blödsinn kommen bei unseren Antilangeweileaktionen aber hin und wieder auch ganz gute Sachen raus.
Zum Beispiel ist unsere Wohnung jetzt wieder um ein paar liebevolle Details reicher, Sophie hat eine Internetseite entdeckt, auf der man sämtliche Hörspielfolgen von Bibi Blocksberg und Co. hören kann, und der gestrige Abend, unser romantisches Candlelight-Dinner zu zweit, war einfach perfekt!

Man nehme dafür:
2 Sterneköchinnen und nur die schönsten handverlesenden und liebevoll geschrubbten Kartoffeln.
Man drittele diese (bitte nur die Kartoffeln) und bestreiche die Schnittflächen mit dem feinsten Öl von den sonnigsten Sonnenblumenfeldern. Dann streue man sorgfältig feine Oreganoblättchen über die edlen Knollen, würze alles noch mit einer Prise Pfeffer aus der neu erstandenen Pfeffermühle und dann rein damit in den Ofen (wenn man ihn dann endlich nach vier Streichhölzern an bekommen hat), bis die Kartoffeln schön gold-braun sind.



In der Zwischenzeit kann eine köstliche Gemüsepfanne aus Tomaten, Paprika, Gurke und Zwiebel zubereitet werden und natürlich nicht zu vergessen die obligatorischen Paprikaherzen.
Abgerundet wird dieses Menü durch die сметана (saure Sahne), serviert in einem Weinglas und dekoriert mit frischer Kresse.
(Geheimtipp: Äpfel in feine Stücke schneiden und anschließend mit сметана als Dessert genießen)



et voilà: das leckerste Gericht, das unsere WG-Küche bislang gesehen hat!
Nach dem Essen waren die Sterneköchinnen pappsatt, ziemlich stolz auf sich und in bester Laune, um ihre Freunde in Deutschland ein bisschen zu verwirren.














Unsere liebe Bettina machte derweil mal wieder lieber mit Freunden St. Petersburg unsicher, aber dafür freuen wir uns immer, wenn sie abends wieder nach Hause kommt und ein bisschen frischen Wind mitbringt.
Mit dir zusammen lachen wir ja immer noch am liebsten und wenn du es mal wieder ein bisschen länger in der Wohnung aushältst, bekommst du bestimmt auch mal so tolle Kartoffeln :)

 
 
 

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Liebste Herbstgüße aus Piter!

Hier noch ein paar Fotos vom Wochenende. Wir hatten nämlich echt fantastisches Wetter.Heute hat es den ganzen Tag nur geregnet, aber ich soll ja (streng genommen) eh die nächste Woche drinnen hocken. . .








 

Für Felix
 
Mal sehen, für wen ich hier noch ein Schild oder Plakat entdecken werde :)
Ich fürchte nur, dass ich vor allem bei meinen beiden Lieblingsschwestern da so ein kleines Problem haben werde. . .

Ich lebe noch =)

Dass ich jetzt schon über eine Woche nichts mehr geschrieben habe, liegt größtenteils nur daran, dass ich die letzte Arbeitswoche gerne aus dem Kalender streichen würde.
Und eigentlich hätte ich das ja schon Sonntagnacht wissen müssen. Ich schlief, wenn es hoch kommt, 2 Stunden und hing den Montag ziemlich durch. Und so ging das dann erstmal weiter.
Aber nachdem ich den Donnerstagnachmittag und den Freitag in meinem Bett verbracht hatte, sah die Welt Samstag gleich wieder besser aus und es wurde mal wieder ein wunderschönes Wochenende :)

Am Samstag fuhren wir zu viert zu einem riiiiiiesigen Secondhandmarkt, wo sich auf Feldbetten und Tischen, Pullis, Hosen, Jacken, Schals und, und, und . . . türmten und man durfte einfach reingreifen und mehr oder weniger auf gut Glück von gaaaanz unten ein Stück hervorzaubern. Eigentlich wollten wir ja Arbeitskleidung besorgen (ihr wollt gar nicht wissen, wie ich nach dem Mittagessen aussehe!), aber wie das dann beim Stöbern so ist . . . Man findet nie, was man braucht, aber wie waren trotzdem am Ende ganz zufrieden ;)


Noch ist die Brücke unten . . .

Nachts gegen halb 1 machten wir uns dann nocheinmal auf zur Neva. Was es da zu gucken gab?
Naja, WIR warteten darauf, dass die Brücken hochgingen und EINHEIMISCHE, die vorbei kamen, hatten auch ihren Spaß, waren aber ganz enttäuscht (manche glaubten es wohl auch nicht), als wir ihnen erklärten, dass in unseren Thermoskannen nur Tee und Saft, kein Alkohol war . . .

 
 
 

Um dreiviertel zwei war es dann soweit

Der Sonntag wurde dann verständlicherweise  erst wieder nach einer großen Portion Schlafmit dem Mittagessen (es gab Blinis, was sonst?) fortgesetzt.
Danach wurden Besen und Wischlappen geschwungen . . . Mit ein bisschen Mühe kann man hier immer wieder noch Ecken finden, die beeindruckend schmutzig sind. Zu eurer Beruhigung:
dazu muss man aber schon Schränke oder so abrücken. Fotos erspare ich euch trotzdem :D

Am späten Nachmittag machten wir uns dann bewaffnet mit Wörterbuch, Zettel und Stift auf dem Weg zur Metrostation - et voilá: 10 Minuten später hatten wir eine neue Monatskarte und ganz wichtig eine "справка" (Quittung)

Da war das Wochenende auch fast schon wieder vorbei und ich ging endlich einmal pünktlich um halb 10 schlafen :)

Montag ging es mir dann leider wieder nicht so besonders und gestern früh wachte ich dann mit einem schön belegten Hals auf. Also tat ich genau das, was ich eigentlich unter allen Umständen NICHT machen wollte, nämlich in Russland einen Arzt zu besuchen.

Aber so schlimm war das dann doch nicht. Meine Koordinatorin schickte mich in die Amerikanische Klinik. Die Ärzte und Pfleger konnten alle Englisch und ich fühlte mich gleich gut betreut. Um meine tollen Mustervenen kümmerten sich sogar gleich 3 Krankenschwestern ;)
Nach knapp 2 Stunden bekam ich dann einen kleinen weißen Zettel mit der Diagnose, den verschriebenen Medikamenten und einer Reihe von Anweisungen für mich (viel trinken, ausruhen, das Übliche. . .)

Leider stand damit aber auch für mich fest, dass ich am Abend nicht zum Einführungsseminar von Perspektivy mitfahren konnte (was nach den Berichten unserer Vorgänger einfach nur spitze sein soll). Man das wurmt mich immer noch!!! Bei dem Seminar geht es z.B. darum, am eigenen Körper zu erleben, wie es ist, im Rollstuhl zu sitzen, seine Bedürfnisse nicht mit Worten zum Ausdruck bringen zu können oder gefüttert werden zu müssen.
Statt mit den anderen Freiwilligen in der Eletritschka zu sitzen auf den Weg in das kleine Dorf (direkt am Meer!), wo die ersten Tage des Seminars stattfinden, saß ich also in meinem Bett und "übersetzte" die Medikamentennamen und suchte im Internet nach deutschen Packungsbeilagen.

Meine Zimmerdecke :)
Ich freunde mich schon mal ein bisschen besser mit ihr an.
Sie wird mir in den nächsten Tagen ja bestimmt noch
ein bisschen näher rücken. . .

Achso, heute Morgen kam ich dann auch auf die Idee Mr. Google nach meiner Diagnose zu befragen.
Sieht so aus, als hätte ich Pfeiffersches Drüsenfieber. . .
Naja, so lange mich die Kopfschmerzen halbwegs in Ruhe lassen, kann ich ja wenigstens schreiben, lesen, malen oder mich an die mir gestellte Sodokuherausforderung machen.
Später am Nachmittag stand dann auch Sophie wieder vor der Tür und ich war cht froh darüber. Versteh das bitte nicht falsch, Sophie, aber zusammen "leiden" ist einfach viel schöner :D